Dieser Frage kann man sich annähern durch die Berechnung eines Unternehmenswertes und den Abgleich mit seinen Erwartungen. Wir haben das in unserem BASE Check versucht, differenzierter zu betrachten. Darüber habe ich mich in der Reihe unserer Gespräche zu erlebten M&A Erfahrungen mit meinen Kollegen Christoph Löslein und Felix Brokatzky unterhalten, insbesondere die Komponenten
- Woraus sich die Attraktivität ableitet
- Der Unterschied zwischen Produkt Verkauf und Unternehmensverkauf
- Strategische Gründe für den Unternehmenskauf
- Ableitung und Darstellung der Equity Story
Wie attraktiv ist mein Unternehmen?
Martin: Kürzlich hatten wir uns darüber unterhalten, wie die Bereitschaft eines Unternehmens für einen Unternehmensverkauf ist, was wir systematisch mit unserem dafür entwickelten BASE Check prüfen und messen. Neben der Bereitschaft ist dort die andere wesentliche Komponente die Einschätzung der Attraktivität eines Unternehmens, welche sich gesamthaft auch dann in der Unternehmensbewertung widerspiegelt. Was macht ein Unternehmen attraktiv?
Christoph: Eine Punktlandung bekomme ich nicht hin, aber lasse es mich bitte so formulieren: Um die Attraktivität eines Unternehmens zu messen, interessiert mich in erster Linie der Mehrwert, den das Unternehmen, egal ob durch Produkt oder Dienstleistung erbringt; ist das
- erstens eine signifikante, passende Antwort auf eine Marktlücke,
- wird gar durch Disruption eine solche Lücke geschaffen,
- wie groß ist diese sich daraus ergebene Chance und drittens wächst sie?
Darüber hinaus gibt es viele weitere Faktoren, aber wenn diese drei ersten Frage ehrlich und mit Enthusiasmus vorgetragen werden, sind die Voraussetzungen gut, dass ein Unternehmen als attraktiv wahrgenommen wird und es auch tatsächlich ist.
Das Gegenteil ist die berühmte „verbesserte Mäusefalle“ oder ein stark diversifiziertes, man könnten auch sagen verzetteltes Leistungsangebot und die Unfähigkeit das Geschäftsmodell nicht „crisp“, also kurz und bündig vortragen zu können.
Dem Gegenüber steht die Umsetzung. Wenn man bei der besten Idee die PS nicht auf die Straße bringt, hat man auch nichts geschafft. Bisher lassen sich Unternehmen nicht durch Künstliche Intelligenz leiten und genauso wird eine überlegene Unternehmensstrategie durch die Erfahrung und Cleverness von Menschen entwickelt. Beides spielt – nicht überraschenderweise – eine große Rolle für die Transaktionsbereitschaft und die Attraktivität eines Unternehmens.
Der Unterschied zwischen Produkt Verkauf und Unternehmensverkauf
Martin: Das klingt nach Überlegungen, die sich gute Manager und Unternehmensführer ständig stellen müssen. Felix, was macht diese Fragen im M&A Kontext so besonders?
Felix: Unternehmen, also deren Führungspersonal, üben und praktizieren Tag täglich, wie sie sich, ihre Leistungen, USPs, Organisation, etc. ihren Kunden gegenüber präsentieren. In diesem Fall geht es jedoch um eine andere Art der Darstellung. Das Produkt und die vertriebsorientierte Präsentation sind sicherlich ein wichtiger Teil, doch hat das Gespräch hier einen anderen Winkel, weist eine ganz andere Charakteristik auf.
Martin: Was heißt das spezifisch?
Felix: Im Vertrieb geht es um das Produkt oder die Dienstleistung und deren Kundennutzen. Beim Unternehmensverkauf ist dies nur die Basis. Darüber hinaus geht es zu verstehen, wie das Unternehmung das Angebot herstellt und anbietet,
- Dazu gehört entscheidend die Fragen der Effizienz, aber auch
- interne Risiken und
- die Frage ob für die Umsetzung der zukünftigen Strategie adäquate Ressourcen und Kompetenzen vorhanden sind.
KPIs wie die Messung des Anteils wiederkehrender Umsätze, Loyalität von Kunden und Mitarbeitenden, das Management des vergangenheitsbezogenen Nettoumlaufvermögens, also dem Working Capital, durchleuchten die Performance und spiegeln sich in den Finanzen wider.
Wie durch Christoph und mir gerade erwähnt: Es geht aber natürlich insbesondere um die Zukunft, das Wachstum, dem Potential. Dies ist aus dem Marktkontext zu erschließen, der Wettbewerbssituation und daraus abgeleitet der finanziellen Modellierung der Zukunft.
Strategische Gründe für den Unternehmenskauf
Martin: Neben dem Unternehmen an sich, gibt es jedoch die Käufer Perspektive. Diese mag sich nicht alleine auf den Markt und die Profitabilität beziehen. Das kann sogar für unterschiedliche Käufergruppen ganz anders aussehen. Was sind typische Gründe für einen Unternehmenskauf, die wir anfinden?
Christoph: Natürlich schaut man sich an, wie die Profitabilität des zu kaufenden Geschäftes aussieht. Insbesondere bei Strategen sind aber in der Tat viele andere Faktoren wichtig. Das fängt an mit der strategische Passgenauigkeit, absolute Größe, Managementqualität, Unternehmenskultur und natürlich die Synergien.
Felix: Lass mich das mal weiter aufführen. Von Interesse kann sein
- der Zugang zu bestimmten Kunden, geografisch oder und vertikale Märkte, an die man dann seine eigenen Produkte mitverkaufen kann.
- oder der Zugang zu Produkten, die man seinen existierenden Kunden ebenso verkaufen kann und damit Zusatzgeschäft generiert.
- im weiteren Sinne sind das dann auch Technologien, Fertigungsmöglichkeiten oder Patente, Fertigungskapazitäten,
- oder im Zeitalter von Mitarbeitermangel gar die Teams an sich.
- Last but not least darf nicht unerwähnt bleiben die Möglichkeit, die administrativen Kosten auf eine breitere Geschäftsbasis zu setzen was aber in den Technologiemärkten in denen wir tätig sind, eher eine geringere Rolle spielt.
Christoph: Mit anderen Worten: das sind Themen die in der Entwicklung und Kommunikation weit über die originären Märkte und Marktpotentiale hinaus gehen können oder gar nicht damit zu tun haben.
Martin: Eine hohe Attraktivität kann, so vermute ich, doch im Vergleich dann individuell recht hoch bewertet werden, also führen zu einer substanziellen Erhöhung von beispielsweise Multiples?
Christoph: Richtig. Multiples werden höher angesetzt, wenn andere Wachstumschancen für das zu verkaufende Unternehmen darstellbar werden und das nachhaltig. Auch wenn so mancher Mittelständler das Discounted Cash Flow Verfahren oder das Heranziehen von Multiples von größeren Unternehmen zur Ermittlung des eigenen Wertes skeptisch sieht: Die Attraktivität lässt sich messen und durch die systematische Erfassung vieler Komponenten, die dann in die Verfahren integriert werden, wird die Bewertung deutlich nachvollziehbarer und im Zweifelsfall besser zu verteidigen.
Martin: Heißt dies, dass man sich vor der Erstellung eines Verkaufsprospektes als aller erstes den Käufermarkt anschauen sollte?
Felix: Unbedingt und wenn man es gut machen will, auf individueller Käuferebene. Zumindest jedoch sollte man die verschiedenen Käufergruppen differenzieren und sich in deren Situation versetzen: Was wäre deren strategischer Winkel? Welche, von den Komponenten der Attraktivität ist für welchen Käufer besonders relevant? Darauf basieren lässt sich dann eine Verkaufshypothese generieren und die sogenannte „Equity Story“ also der Rote Faden im Verkaufsprospekt.
Ableitung und Darstellung der Equity Story
Martin: Wenn wir das zurückführen auf die Vorbereitung einer Transaktion: Was heißt das für die Unternehmensdarstellung und die Fragen der Attraktivität?
Christoph: Welche strategischen Interessen der verschiedenen Käufergruppen bedient werden können, hängt im Wesentlichen von der Unternehmensstrategie, der Organisation, seinem Angebot, der Umsetzung und dem Markt ab. Das
- a) zu evaluieren und
- b) dann vor dem Hintergrund des Käufermarktes zu bewerten.
Darum geht es bei der Bewertung der Attraktivität.
Martin: Und wie kann man das strukturiert und einfach darstellen?
Felix: Für die Evaluierung des Unternehmens orientieren wir uns gerne am „10 Slide Pitch Deck“, welches unter drei Überschriften die bereits zuvor genannte Fragen beinhaltet:
- Was bietet das Unternehmen eigentlich? Oder anders dargestellt:
- Welches Problem löst es oder welche signifikante Marktlücke deckt es an?
- Wie sieht die Lösung aus?
- Was macht das Unternehmen besonders, auch die „Secret Sauce“ genannt?
- Wie verdient es damit Geld, wie sieht das das Geschäftsmodel aus, Verkauf, Service, Finanzierung, SaaS, etc.
- Wie sieht der Markt und die Wettbewerbssituation dafür aus?
- Wächst der Markt?
- Wie sieht der Wettbewerb aus, also wie stark sind die Wettbewerber und was ist deren Strategie?
- Dazu gehört auch Michael Porters Ermittlung der Wettbewerbsintensität mit den Dimensionen: Gefahr neuer Markteintritte (Imitation), Substitution, die Verhandlungsmacht der Kunden und Lieferanten.
- Wie setzt das Unternehmen seine Geschäftsidee um, dies in den Bereichen, Marketing und Vertrieb, Produkt und Technologie, Produktion und Supply Chain, Personalstrategie. Und natürlich wie reflektiert sich all dies in den Finanzen.
Christoph: Die Zusammenfügung dieser Punkte, einer Bewertung im Sinne einer SWOT (Stärken, Schwächen, Chancen & Risiken Analyse) gepaart mit dem potenziellen Käuferinteresse führt dann zu einer wirklich aussagekräftigen, strategischen Bewertung. Je nachdem wo man da nachvollziehbar die höchsten Werte sieht, wird man darauf die Equity Story abstützen.
Martin: Also geht es nicht darum, wie einem selbst das Unternehmen gefällt, sondern wie es den potenziellen Käufern „schmeckt“?
Felix: Ja, so kann man das ausdrücken! Wir haben dabei festgestellt, dass die Grundstruktur der Bewertung eigentlich immer der gleichen Logik folgt, die Ausgestaltung jedoch gewaltigen Unterschied in der Darstellung der Attraktivität machen kann und natürlich auch abgeleitet dann in der Bewertung.
Martin: Ich danke Euch für diese Darstellung. Das nächste Mal sprechen wir dann darüber, wie man das am besten Vorbereiten kann und wann man dann bereit ist für eine Transaktion ist.