Ein Gespräch mit Board Advisors Gründer Christoph Löslein
Im Rahmen unserer Serie „M&A Gespräche“ ein Interview von Martin Wilderer mit Christoph Löslein um die Themen
- Den wichtigsten Erfolgsfaktoren von M&A Transaktionen
- Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Unternehmensverkauf?
- Wie bereite ich mich auf eine Transaktion vor?
- Welche Investoren und Käufer sind besser für mein Unternehmen: Finanzinvestoren oder strategische Käufer?
- Braucht man Berater?
Martin Wilderer: Christoph, Du hast vor 18 Jahren die Board Advisors gegründet, nachdem Du bereits unzählige Transaktionen geführt hast und zunehmend erst aus Deinem Bekanntenkreis und danach darüber hinaus um Hilfe gebeten wurdest. Da liegt die erste Frage Nahe: Was sind Deiner Meinung nach die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren beim Verkauf von Unternehmen?
Christoph Löslein: Martin, sich so festlegen zu müssen ist schwer, denn ein vollständiger M&A Prozess besteht nach unserer Analyse und Erfahrung aus mehr als 300 einzelnen Prozessschritten. Und jeder davon muss sauber abgearbeitet werden, sonst lässt man „Geld auf dem Tisch liegen“, verschwendet wertvolle Zeit des Mandanten, der potenziellen Käufer oder auch eigene Ressourcen.
Wenn ich mich entscheiden muss, dann ist für mich der wichtigste Punkt die frühzeitige und vollständige Vorbereitung, und zwar lange bevor potenzielle Käufer angesprochen werden. Ab dem Moment der Ansprache tickt die Zeit. Eine Transaktion ist immer eine Art chirurgischer Eingriff in den Organismus und diese Zeit sollte so kurz wie möglich sein. Das wiederum geht eben nur durch eine optimale und weitestgehend vollständige Vorbereitung.
Der zweite entscheidende Punkt ist, dass man den Prozess „vom Ende her“ durchdenken muss, also was mein Mandant eigentlich wirklich erreichen will? Und bis wann? Geht es nur um die Maximierung des Verkaufspreises, oder um mehr? Wie sollen und können Synergien mit dem Käufer aussehen? Was soll aus dem Unternehmen nach dem Verkauf werden? Diese Faktoren sind keine Zufallsprodukte und können entwickelt werden. Vergisst man das, begeht man, nach meiner Erfahrung, irreparable Fehler.
Damit steht auch der dritte Punkt in direkten Zusammenhang: bei der Post-Merger-Integration geht es auch um das Plausibilisieren, das Prüfen nach Umsetzbarkeit und die Quantifizierung von Synergien. Aber es reicht überhaupt nicht, nur auf die Zahlen zu schauen. Vielmehr geht es darum, das Unternehmen mit seinen Mitarbeitenden, die Kultur und Werte zu verstehen. Bei intensiveren Management Präsentationen und dann bei der Auswahl des Käufers spielt das eine große Rolle und Entscheidungen sollten nicht eine Funktion von Zufällen sein. Dafür ist jedes Unternehmen, gleich wie klein oder groß, zu wertvoll!
Martin: Unabhängig von diesen drei Faktoren, wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Unternehmensverkauf? Wenn die Zahlen stimmen, dann doch jederzeit, oder?
Christoph: Ebenfalls eine Frage, Martin, die man nicht einer Standardantwort umfassend befriedigen kann. Immerhin gibt es etliche Faktoren, die man gar nicht beeinflussen kann, wie die konjunkturelle Lage und die Situation im Zielmarkts des Markts, in den dem der Mandant tätig ist. Aber auch die simple Tatsache, dass die Eigentümer das Unternehmen nicht mehr führen können oder wollen oder dass ein Fond oder auch die Gründer Liquidität wünschen, können den Zeitpunkt maßgeblich beeinflussen.
Der Zeitpunkt kann auch nicht durch erfolgreiche Reiten einer Welle einiger kurzfristige Erfolge festgelegt werden oder – wie man so unschön, wie ich meine, sagt, nach dem „die Braut aufgehübscht“ ist. Nein, es geht darum zu erkennen, was Besonderes im Unternehmen drinsteckt und zu erkennen, wie das zum dem passt, was im Markt jetzt nachgefragt wird und zwar nicht in der Form einer Eintagsfliege.
Natürlich, attraktive Ergebnisse spielen eine große Rolle, aber es geht vor allen darum das Unternehmen so zu positionieren, dass es für die Käufer echten Mehrwert bietet und nicht nur die Addition von EBITDA Margen oder Free-Cash-Flows ist.
Wer den Mehrwert des Unternehmens im Kontext der Wertschöpfungskette nicht aufzeigen kann, der sollte warten und sich besser vorbereiten. Ebenfalls sollten Wachstumspotenziale erkenn- und effektiv nachweisbar sein.
Und das beste Produkt, eine beeindruckende Kundenbasis, sogar exzellente finanzielle Ergebnisse sind nicht ausreichend, wenn das Management noch nicht entsprechend entwickelt ist – in der Regel jedenfalls sind das alles Faktoren die erheblichen Einfluss auf den richtigen Verkaufszeitpunkt haben.
Das muss alles zusammenpassen. In dem Sinne, Timing is Everything – der von Shakespeare und vom Apple Mitgründer John Sculley geprägte Sinnspruch trifft somit teilweise entscheidend für den Erfolg von M&A Transaktionen zu.
Martin: Vorbereitung ist immer wichtig, einverstanden, aber Du führst bereits eine Reihe von Faktoren auf, die alle für sich alleine große Themen sind. Da kann man sich schnell verlieren. Auf was soll man sich konzentrieren?
Christoph: Es ist einfach so: wenn der Transaktionsprozess erstmal losgetreten ist, dann reitet man – hoffentlich – auf einer Welle, von der man nicht herunterkommen möchte. Wenn man also vom Prozess her startet, dann sollte Alles, was man vor der Marktansprache erledigen kann, erledigt werden, um hinterher die Zeit zu haben, sich über die Fragen und deren Konsequenzen in Ruhe Gedanken machen zu können. Red Flags in der Due Diligence sind ja keine Seltenheit, aber wenn man die gezielt schon während der Vorbereitung sucht, dann sind diese oft identifizierbar und tauchen dann nicht als Überraschung mitten im Prozess auf.
Entsprechend gehört zur Vorbereitung nicht nur das Erstellen des Teasers und dem Verkaufsprospekt. Schon frühzeitig hilft es den Datenraum so vorzubereiten, dass der Mandant sich damit umfassend hat befassen können; immerhin haftet er dafür, je nach Verhandlungsgeschick, mehr oder weniger.
Schon allein der optische Eindruck vermittelt, ob es sich hier um ein „aufgeräumtes“ Unternehmen handelt oder „Chaos“ im Betriebsmodus vorherrscht. Kleinigkeiten können hier einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Und wir wissen aus der kognitiven Forschung, dass auch im digitalen Interaktion der erste Eindruck nach wenigen Millisekunden feststeht und zählt und die weitere Handlungsweisen determinieren kann, positiv wie negativ. Es hilft, dies in Ruhe zu machen, oder ist halt bemerkbar, wenn es auf die schnelle zusammengestellt wurde.
Darüber hinaus hilft es, und das kann man Jahre im Voraus beginnen, sich zu überlegen, wie das Unternehmen strategisch am Besten weiterzuentwickeln ist, und wer dies vielleicht besser machen kann, als man selbst. Das wäre der ideale Käufer. Um so klarer dies ist und kohärenter zur Strategie des Unternehmens passt, desto leichter ist es die „Equity Story“ zu formulieren, d.h. den Wert aus Sicht des potentiellen Käufers zu formulieren. Diese Überlegung sollte eigentlich Teil jeglicher strategischen Planung sein und damit kann man gar nicht früh genug beginnen.
Die Vorbereitung dient dazu, ein erfolgreiches Verhandlungsergebnis, nicht nur in Sachen Kaufpreis, zu erzielen. Dafür ist die Erarbeitung der wichtigsten Verhandlungspositionen zentral. Später, gegebenenfalls durch neue Informationen, die in der Due Diligence auftauchen, hier die Richtung zu ändern, unterminiert die Glaubwürdigkeit und kann im schlimmsten Fall auch das Ende des Prozesses bedeuten.
Martin: Mal einen Schwenk in eine andere Richtung und eine Frage die ich immer gleich zu Anfang gestellt bekomme: Welche Investoren und Käufer sind besser für mein Unternehmen: Finanzinvestoren oder strategische Käufer?
Christoph: Ein interessanter Punkt. Wir begegnen häufig die Situation, dass Finanzinvestoren im Vergleich zu strategischen Käufern gerne schnell als „Haie“ abgestempelt werden, die man angeblich dem Unternehmen nicht zumuten kann. Auch wenn es solche gibt, kann man hier nicht alle in einen Topf schmeißen und ganz im Gegenteil hat die DACH-Unternehmerschaft heute den Luxus, aus einer Vielzahl von Käufern auswählen zu können. Das war vor 10 bis 15 Jahren noch ganz anders.
Finanzinvestoren können vor allem interessant sein, wenn es um die Finanzierung eines strukturierten Aufbaus geht, bevor man überhaupt an den „Traum-Strategen“ verkaufen kann.
Ebenso unerlässlich sind Finanzinvestoren für die Umsetzung von Buy & Build Strategien, die eine exzellente Möglichkeit bietet für verkaufende Gründer noch länger im vertrauten Markt, aber in einer geänderten Position tätig zu bleiben. Außerdem zeigt sich in den letzten Jahren, dass Finanzinvestoren zunehmend strategisch denken und agieren, was die Grenzen zwischen diesen beiden Investorengruppen ohnehin verwischt. Warum ist das so? Die Unternehmen in einem Fundportfolio, die vielleicht vor fünf Jahre oder länger erworben wurden, sind „erwachsen“ geworden und haben eine substanzielle Größe erreicht, sollten verkauft oder durch weitere Akquisitionen weiter expandieren. Das bekommt man nur hin, wenn man neben der Optimierung klassischer Performance-KPIs sich auch auf im operativen Geschäft und dem Markt des Unternehmens bestens auskennt.
Martin: Nun vielleicht eine unfaire Frage: Braucht man einen M&A Berater? Und wenn ja, was sollte ich von einem guten Berater erwarten, was genau ist seine Rolle und von was sollte er besser die Finger lassen?
Christoph: Lieber Martin, diese Frage kann ich sicher nicht gänzlich unbefangen beantworten! Natürlich bin ich der Meinung, dass erfahrene Berater für den Erfolg eines M&A Prozesses unersetzlich sind, mindestens aber ein sehr hohes Potenzial haben, den Wert des Unternehmens zu steigern und den Prozess so zu unterstützen, dass die „daily operations“ des Mandaten nicht maßgeblich gestört werden.
Hier treffe ich ein paar Annahmen, die natürlich von Fall zu Fall unterschiedlich Ausprägung zutreffen.
- Erstens haben viele Unternehmen haben wenig Erfahrung mit M&A. Die Erfahrung hilft, die Komplexität einer Transaktion, die wie erwähnt aus über 300 Prozessschritten besteht, handhabbar zu machen und zu greifen.
- Dann kann eine Verkauf eine hochemotionale Angelegenheit sein, hier sollte der Berater Ruhe und Klarheit einbringen können.
- Auch wenn die Strategie des Unternehmens selbstverständlich nicht Sache des M&A Beraters ist, so kann er helfen, die Perspektive der potenziellen Käufer einzunehmen und diese in die strategischen Überlegungen zu übersetzen und einzubinden.
- Und schlussendlich soll der Berater bei der Vorbereitung und Durchführung des Prozesses mit Kapazität helfen, insbesondere wenn der Prozess vertraulich ohne Einbindung der Mitarbeitenden stattfinden soll.
- Das Wichtigste – die Wertsteigerung – gewährleistet durch einen sauberen, agil durchhandhabten und für den Mandanten transparenten Bieterwettbewerb sollte die Grundlage für die Arbeit des Beraters darstellen.
Auf der anderen Seite ist er eben nur Berater und er oder sie kann nicht kompensieren, was das Unternehmen oder sein Führungspersonal möglicherweise fundamental nicht kann. Ebenso ist ein M&A Berater in der Regel kein Jurist. Er sollte zwar in der Lage sein, einen Anwalt, der den Käufer oder Verkäufer vertritt, effizient in eine Transaktion einzuführen und die Verhandlung rechtlicher Aspekte aufgrund der Erfahrung kommentieren zu können, aber schlussendlich sind es die auf M&A spezialisierten Gesellschaftsrechtler, die den Kaufvertrag gestalten und verhandeln werden.
Was sollte der Berater auch nicht machen? Abkürzungen nehmen! Das funktioniert nach meiner Erfahrung nicht – Beispiele sind: mit dem erstbesten Bieter verhandeln, unrealistische Zeitannahmen treffen, glauben, Spezialisten wie Anwälte, Steuerberater, ggf. IP / Markt-Experten „sparen“ zu können, als „One-Man-Show“ glauben zu können, eine Transaktion optimal über die Ziellinie zu bekommen. Alle diese „Cutting Corner“ Taktikten sind der sichere Weg in den Abgrund.
Martin: Christoph, Du machst seit über 25 Jahren M&A, seit Gründung der Board Advisors 2005 ja hauptsächlich auf Seiten der Verkäufer: was ist Deine Fazit, wenn Du über Verkaufsprojekte nachdenkst?
Christoph: M&A ist keine Raketentechnik. Alles kannst Du im Detail nachlesen. Wie z.B. auch bei medizinischem Wissen gibt es Millionen von Website. KI wirft Dir viele auch teilweise sehr beeindruckende Informationen aus. Aber: keine der etwa100 Transaktion an denen ich die Ehre hatte, beteiligt gewesen zu sein, gleicht der anderen. Wie jeder Mensch ist jede Transaktion individuell, sowie jedes der Millionen Unternehmen irgendwie einzigartig ist.
Überraschungen tauchen immer auf. In jeder Transaktion. Lösungen dafür findet man nicht immer im Lehrbuch. Die Realität sieht oft anders als ursprünglich gedacht aus
Eine gute Transaktion ist kein Nullsummenspiel. Es hängt daher während und am Schluss von der Kreativität und Flexibilität aller Beteiligten ab, einen optimalen Deal zu finden.
M&A ist mehr als nur ein finanzieller Vorgang, bei dem das Unternehmen „vertickt“ wird. Es ist ein strategischer Schritt im Kontext des Entwicklungs- und Wachstumspfades eines Unternehmens, welches sorgfältige Planung, das Verständnis für das eigene Unternehmen und den Markt erfordert. Die richtige Vorbereitung und das Gefühl um den richtigen Zeitpunkt beeinflussen den Erfolg im M&A-Prozess signifikant. Gerade weil das nicht über einen Kamm zu scheren ist, macht es ja auch so viel Spaß.
Martin: Da hast Du recht. Christoph, ich danke Dir für das Gespräch und freue mich darauf, dies bald fortzusetzen.